10 Aug. Meine ersten Schritte zur Sportschützin

Nachdem mein bester Ehemann aller Zeiten seine WBK nun schon seit 20 Jahren in der Tasche hatte und mehr oder weniger regelmäßig zum Schießtraining ging, fanden wir (er mehr als ich), dass es eigentlich Zeit für mich wäre, ebenfalls eine WBK zu erlangen.
Doch mein erster Besuch auf dem örtlichen Schießstand war ziemlich demotivierend. Die Männer um mich herum fachsimpelten über Kaliber, Waffentypen, Modifikationen, Zubehör und weltbekannte Schützenvorbilder. Ich stand wie Dummchen daneben, verstand nur Bahnhof, war unheimlich beeindruckt und gleichzeitig ziemlich gelangweilt. Andreas, der in der Parchimer Schützengilde als „Gildeältester“ so etwas wie der 1. Vorsitzende ist, hatte sich freundlicherweise bereiterklärt, mir eine kleine Einführung zu geben. Er packte eine Kurzwaffe aus, eine Leihwaffe aus dem Vereinstresor. „Hier, mit diesem Prachtstück kannst du mal starten.“ Er zeigte mir alles ganz genau und drückte mir die Waffe dann ungeladen in die Hand. „Probier erstmal trocken, ohne Munition.“ Sie war riesengroß, sauschwer und ziemlich lang. Ich hatte Mühe, das Teil mit beiden Händen vorgestreckt ruhig zu halten. Mein kurzer Zeigefinger erreichte gerade so den Abzugshebel. „Zieh ruhig mal durch!“ Ich fragte unsicher nochmal, ob sie auch wirklich nicht geladen war. Andreas zeigte mir noch einmal, dass sich keine Patronen in der Trommel oder im Lauf befanden. Okay, dann also los. Ich drückte ab. Klick. Och, das war ja gar nicht schlimm, obwohl der Abzug ziemlich schwer ging.
„Na, dann wollen wir mal laden, “ sagte er. Oha! Jetzt wurde es ernst. Bis auf ein Luftgewehr auf dem Jahrmarkt hatte ich noch nie geschossen. Ganz in Ruhe lud Andreas die Waffe, erklärte mir alles ganz genau und ausführlich, aber ich war so aufgeregt, dass ich nicht viel verstand, außer, dass es sich wohl um einen Revolver handelte. Nachdem er mir die richtige Haltung und den richtigen Griff (den ich mit meinen kurzen Fingern leider nicht umsetzen konnte) gezeigt hatte, sollte ich, schön Richtung Kugelfang, abdrücken. BUMMM!!
Ach du Scheiße, war das laut! Sowieso fand ich dieses Geknalle um mich herum, an dem die Männer offenbar Freude hatten, ziemlich schrecklich. Und dieser monströse Revolver wäre mir fast aus der Hand gefallen, so schwer kam er mir jetzt schon vor. Nein, das ist auf keinen Fall eine Sportart für mich. Höflich schoss ich noch drei oder vier Patronen ab, gab ihm die Waffe vorsichtig wieder zurück und beschloss, nie wieder zum Schießen zu gehen.
Doch der beste aller Ehemänner ließ sich nicht so leicht von der Idee abbringen, mich zur Sportschützin zu machen. Er schlug vor, es noch einmal mit einer anderen Waffe zu probieren. Langer Rede kurzer Sinn: irgendwann konnte ich dann auch mal mit einer Pistole schießen, die nicht ganz so furchteinflößend war und mit der ich sogar die Scheibe ganz gut traf. Also gut. Jetzt nur noch den Behördenkram erledigen, in den nächsten 12 Monaten mindestens 18 Mal schießen, Sachkundeprüfung und Mitgliedschaft in einem Dachverband.
So bin ich dann brav in den BDMP (Bund Deutscher Militär- und Polizeischützen) eingetreten, hab mir ein kleines Heftchen besorgt, in das die Schießtrainings eingetragen werden, und hab mich für die obligatorische Sachkundeprüfung angemeldet.
Ach ja, die Sachkundeprüfung. In den Anmeldeunterlagen stand, dass erwartet wird, dass man für den theoretischen Teil die zugesandten Materialien sorgfältig auswendig lernte und den Fragenkatalog durcharbeitet. In der praktischen Prüfung sollte man zeigen, dass man einigermaßen geradeaus schießen und notfalls auch eine Störung (Oh Himmel hilf, bloß das nicht!) beseitigen kann.
Mein Ehemann versuchte mich zu beruhigen, ich sollte mir keine Sorgen machen. Alle Fragen, die in der Prüfung abgefragt werden, werden vorher in Ruhe besprochen, die korrekten Lösungsbuchstaben quasi auswendig gelernt und zur Not würde man sich auch gegenseitig helfen können. Und eine richtige praktische Prüfung würde es auch nicht geben. Das würde bestimmt nur aus formalen Gründen in der Anmeldung stehen.
Normalerweise gehorche ich recht gut, doch ich war skeptisch. Seine Prüfung war über 20 Jahre her und vielleicht haben sich die Bedingungen etwas geändert. Ich bereitete mich also sorgfältig vor, was sich dann als genau richtig erwies. Keinesfalls war die Prüfung ein Selbstgänger und im – inzwischen doch obligatorischen – praktischen Teil musste ich nicht nur Kaliber erkennen, einige Treffer ins Ziel setzen, sondern hatte auch noch eine nicht geplante, massive Störung, die dann nur die Standaufsicht ganz vorsichtig beheben konnte. Puh, das war aufregend. Aber am Ende habe ich ohne Blamage alles gut bestanden und war nun fast vollwertige Sportschützin. Jetzt musste ich nur noch regelmäßig trainieren, um mein „Bedürfnis“ nachzuweisen, also zu belegen, dass ich wirklich ernsthaft Sportschützin werden wollte.
Das Jahr gab mir ausreichen Gelegenheit, verschiedene Waffen auszuprobieren, so dass ich am Ende, als ich dann endlich eine WBK beantragen durfte, schon recht gut wusste, welche Art von Waffe für mich geeignet sein würde.
Mein – inzwischen wieder – bester Ehemann aller Zeiten fand die perfekte Pistole für mich: Eine Glock 48. Klein, schmal, kompakt, leicht – genau richtig. Allerdings in Sachen Präzision nicht gerade erste Wahl, aber auf vordere Platzierungen bei Wettbewerben hatte ich sowieso keine Aussicht, also war das unerheblich.
Ja, so wurde ich 2019 offiziell legitimierte Sportschützin.